Begründetes Urteil des Mietgerichts Zürich

Auswirkungen von Corona-Massnahmen auf Geschäftsmietverträge (Urteil vom 2. August 2021 (MJ210008-L)

Zusammenfassung

Das Mietgericht Zürich hat ein erstes Urteil zu den Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Geschäftsmietverträge erlassen.

Es setzte sich mit den rechtlichen Fragen auseinander, ob die Corona-Pandemie ein Mangel am Mietobjekt darstellt, ob die eingeschränkte Nutzung eine nachträgliche Unmöglichkeit im Sinne von Art. 119 OR darstellt und ob eine richterliche Vertragsanpassung verlangt werden kann.

Das Mietgericht Zürich schloss eine richterliche Vertragsanpassung im Rahmen der clausula rebus sic stantibus nicht grundsätzlich aus. Im konkreten Fall waren die Voraussetzungen jedoch nicht erfüllt, weshalb das Mietgericht die Klage der Vermieterin auf Zahlung der offenen Mietzinse guthiess. Das Urteil ist bislang nicht rechtskräftig.

Ganzer Artikel

Das Mietgericht Zürich entschied im vorliegenden Fall, dass bei einer behördlich angeordneten Schliessung von Geschäftsbetrieben grundsätzlich keine Mietzinsreduktion geschuldet ist. Das Urteil ist bislang nicht rechtskräftig.

Der Mieterinnen- und Mieterverband Zürich geht weiterhin von einem Mangel am Mietobjekt aus und ermutigt Geschäftsmieterinnen und Geschäftsmieter, sich via Mitgliedschaft bei MV Business von unseren Expertinnen und Experten beraten zu lassen.

Sachverhalt

Die Mieterin eines Ladenlokals und Lagerraums in Zürich stellte ihre Mietzinszahlungen mit Hinweis auf die Pandemie-Situation im Zusammenhang mit COVID-19 und die damit verbundene behördliche Einschränkung für die Monate April und Mai 2020 ein. Für die Monate Juni 2020 bis Januar 2021 beglich sie jeweils einen Drittel des Bruttomietzinses, für den Monat Februar 2021 wurde keine Zahlung geleistet. Die Vermieterschaft klagte schliesslich die offenen Mietzinse vor Gericht ein.

 

Standpunkt der Vermieterschaft

Die Vermieterschaft vertrat vor Mietgericht Zürich den Standpunkt, dass für die Zeit der behördlich verordneten Schliessung kein Mangel am Mietobjekt im Sinne von Art. 259a OR vorliegt. Die Anordnungen des Bundesrates haben nicht die Nutzung des konkreten Mietobjekts verboten, sondern die Tätigkeit der Mieterschaft. Die Vermieterschaft muss lediglich dafür sorgen, dass die Mieterschaft die Mietsache nutzen «kann». Ob sie dies tatsächlich auch «darf», liegt nicht in der Verantwortung der Vermieterschaft.

 

Standpunkt der Mieterschaft

Die Mieterin vertrat den Standpunkt, dass die bundesrätlichen Massnahmen den Gebrauch des Mietobjekts verhindert bzw. eingeschränkt haben und somit ein Mangel am Mietobjekt vorliegt.

Das Mietobjekt darf nur zum im Vertrag vereinbarten Zweck (Ladenlokal) genutzt werden. Dieser Zweck ist durch die staatlich angeordneten Massnahmen verunmöglich bzw. eingeschränkt worden. Schliesslich ist die Mietzinsherabsetzung bzw. der Erlass des Mietzinses nicht vom Verschulden der Vermieterschaft abhängig. Es genügt die Tatsache, dass die dargelegte Beeinträchtigung der Nutzung der Geschäftsräume zu einem massiven Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung geführt hat. Somit berechtigt die infolge staatlicher Massnahmen weggefallene oder reduzierte Nutzungsmöglichkeit die Mieterschaft zur Reduktion oder zum Erlass des Mietzinses.

 

Entscheid Mietgericht Zürich

Das Mietgericht Zürich stellte zunächst anhand des Vertrages fest, dass die Parteien keine spezifische Risikoklausel vereinbart hatten, womit die Folgen von behördlich angeordneten Betriebsschliessungen geregelt worden wären.

Art 119 OR, welche die nachträgliche Unmöglichkeit regelt, gelangt nicht zur Anwendung, weil die behördliche Schliessung nicht dauerhaft war.

Bei der Frage des Mangels am Mietobjekt gibt es verschiedene Lehrmeinung: Ein Teil der Lehre ist der Ansicht, dass ein Mangel vorliegt, wenn das Mietobjekts aufgrund eines öffentlichen Verbots nicht mehr genutzt werden kann. Das Mietgericht Zürich folgte dem anderen Teil der Lehrmeinung, wonach die vereinbarte Beschaffenheit des Mietobjekts nur objektsbezogene und nicht betriebsbezogene Eigenschaften betrifft.

Auch die Anwendung der clausula rebus sic stantibus verneinte das urteilende Gericht. Es hielt fest, dass ein richterlicher Eingriff in den Vertrag voraussetzt, dass sich die Verhältnisse seit Vertragsschluss geändert haben. Diese Verhältnisänderung darf weder voraussehbar noch vermeidbar sein und es muss eine gravierende Äquivalenzstörung vorliegen, so dass der Vertrag nicht mehr wie vereinbart erfüllt werden kann.

Das Mietgericht Zürich vertrat die Auffassung, dass jederzeit mit dem Ausbruch einer Pandemie gerechtet werden muss, die getroffenen Massnahmen während der COVID-19 Pandemie allerdings ausserordentlich weit gingen. Die Mieterin konnte im Verfahren jedoch nicht darlegen, in welcher Weise sie konkret von den angeordneten Massnahmen betroffen war, weil sie die Einsicht in ihre Geschäftsbücher verweigerte. Da sie die geforderte Äquivalenzstörung nicht belegen konnte, urteilte das Mietgericht Zürich, dass keine Mietzinsreduktion geschuldet ist.  

Haltung MV Zürich

Der MV Zürich ist der Ansicht, dass die behördlich angeordnete Schliessung gewisser Geschäfte ein Mangel darstellt, weil eine «Störung im Gebrauch der Mietsache» vorliegt.

Damit die clausula rebus sic stantibus bejaht werden könnte, muss die Mieterschaft das Vorliegen einer Äquivalenzstörung belegen. Insbesondere müssen die finanziellen Auswirkungen durch die behördlichen Einschränkungen aufgezeigt werden. Der Mieterschaft ist somit zu empfehlen, die notwendigen Unterlagen zur Veranschaulichung der Äquivalenzstörung offenzulegen.

Es wird zudem empfohlen, in einem Gerichtsverfahren jeweils auch den Antrag zur Abklärung der Eigentümer-Rendite zu stellen.

Das Mietgericht Zürich hielt abschliessend fest, dass in jedem Fall eine Einzelfallbeurteilung wichtig sei. Aus diesem Grund raten wir nach wie vor dazu, sich bei unseren Expertinnen und Experten beraten zu lassen, um die Chancen und Risiken eines Gerichtsverfahrens im Voraus besprechen zu können.

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